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Wenn am 18. Oktober das Uno-Waffenembargo gegen Iran endet, steht dieser Tag symbolisch für das Scheitern der europäischen Nahostpolitik. Das ist eine katastrophale Nachricht insbesondere für die Sicherheit Israels.
Der 18. Oktober 2020 wird ein schlechter Tag für den Nahen Osten – eine Region, der es wahrlich nicht an solchen Tagen mangelt. An diesem Datum endet, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon Kenntnis nimmt, das Uno-Waffenembargo gegen Iran. Zwar hat sich das iranische Regime von diesen Sanktionen in den vergangenen Jahren nur wenig beeindruckt gezeigt und entsprechendes Material illegal importiert und exportiert. Ab Mitte dieses Monats kann es dies allerdings legal tun – eine katastrophale Nachricht für die Region und insbesondere für die Sicherheit Israels.
Iran wird aufrüsten
Iran wird ab diesem Zeitpunkt, mit freundlicher Unterstützung aus Peking und Moskau, die Möglichkeit haben, ganz legal hochmoderne Waffen zu kaufen, von denen es wegen der Sanktionen bisher abgeschnitten war. Damit werden dann vermutlich nicht nur die eigenen Streitkräfte modernisiert, sondern ebenso eine ganze Anzahl von irregulären schiitischen Milizen in der Region ausgerüstet.
Gerade China wird nicht zögern, Iran entsprechendes Material zur Verfügung zu stellen. Die Herrscher in Peking betrachten den Nahen Osten schliesslich als ihr Einflussgebiet, und durch die Unterstützung Irans und seiner unzähligen Milizen kann das kommunistische Regime die amerikanische Dominanz in der Region schwächen, ohne selbst aktiv zu werden.
Neben diesen geo- und sicherheitspolitischen Auswirkungen steht der Tag auch symbolisch für das Scheitern der europäischen Nahostpolitik. Es ist eine selbst beigebrachte Niederlage, da das Auslaufen des Embargos Teil des Atomdeals war, den neben den fünf ständigen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrates auch Deutschland und die Europäische Union mit Iran im Jahr 2015 in Wien geschlossen hatten. Dieser Deal war seinerzeit nicht mehr als eine Wette auf die Zukunft, denn, so war damals allenthalben zu vernehmen, das Abkommen würde Zeit verschaffen und es ermöglichen, mit Iran auch über andere problematische Aspekte, hier vor allem die regionale Politik, ins Gespräch zu kommen. Auch verbarg sich dahinter die vage Hoffnung, dass das Regime in Zukunft moderater werde.
Dabei ruhte der Optimismus im Westen vor allem auf den sogenannten Reformern. Dies war damals schon eine gefährliche Illusion, denn es mag unterschiedliche Interessengruppen im Regime geben, aber «moderat» ist keine der handelnden Fraktionen. Ganz im Gegenteil, sie alle teilen die islamistische und antisemitische Ideologie, die allenfalls taktische Zugeständnisse zulässt, aber gewiss keine substanzielle Änderung der Politik, etwa der Regionalpolitik. Und so ist es schliesslich auch gekommen: Teheran verfolgt unter dem Schutz des Wiener Abkommens seine hegemonialen Ambitionen aggressiver und brutaler denn je und agiert auch innenpolitisch extrem gewaltsam gegen jegliche Form von Opposition.
Egal auf welchen Krisenherd man im Nahen Osten schaut, ob auf Libanon, den Irak oder Jemen: Iran hat in den vergangenen Jahren systematisch seinen Einfluss in der Region ausgeweitet und heizt die politischen und konfessionellen Konflikte weiter an. Es bleibt angesichts dieser Entwicklungen ein Rätsel, wie politische und diplomatische Entscheidungsträger in Europa nach wie vor postulieren können, dass man Iran brauche, um den Nahen Osten zu stabilisieren.
Wie hält es Deutschland mit Israels Sicherheit?
Mit der Realität hat dies wenig zu tun, denn das Regime profitiert gerade von politischer Instabilität und versteht es meisterhaft, Machtvakuen zu füllen. Das Letzte, woran die Mullahs Interesse haben, sind stabile, womöglich noch sich demokratisierende Staaten in der direkten Nachbarschaft. Mit dem Auslaufen des Waffenembargos ist davon auszugehen, dass Iran seine Milizen in der Region mit hochentwickelten Waffen ausrüsten und seine regionale Aggression weiter vorantreiben wird. Das sind schlechte Nachrichten für den Nahen Osten und die Voraussetzungen für noch mehr Blutvergiessen.
Gerade für Deutschland hat das Auslaufen des Waffenembargos indes noch eine eigene, ganz besondere Bedeutung: Berlin betont unentwegt, dass die Sicherheit Israels Staatsräson sei, und warnt an den Gedenktagen vor dem Anstieg des Antisemitismus. Gleichzeitig sieht die deutsche Regierung tatenlos dabei zu, wie ein Regime, dessen ideologischer Kern Antisemitismus ist und das seit seinem Bestehen in Wort und Tat an der Zerstörung des jüdischen Staates arbeitet, sich weiter hochrüstet.
Schon seit Jahren gibt es hier eine deutliche Diskrepanz zwischen Lippenbekenntnis und tatsächlicher Politik.
Wenn es so etwas wie Lehren aus der Geschichte gibt, dann die, dass man antisemitische Fanatiker stoppen muss, bevor es zu spät ist. Dafür bedarf es aber einer grundsätzlichen Wende in der Iranpolitik Deutschlands und der Einsicht, dass der seit 30 Jahren praktizierte kritische Dialog in eine Sackgasse geführt und bisher allein Iran genutzt hat.
Der Beitrag erschien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an: presse@ajc.org.