Handreichung „Die Mobilisierung des Ressentiments. Zur Analyse des Antisemitismus in der AfD"
/ Broschüre

Die Mobilisierung des Ressentiments. Zur Analyse des Antisemitismus in der AfD

Acht Jahre nach ihrer Gründung kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die einst als Anti-Euro-Partei gegründete „Alternative für Deutschland“ (AfD) sich mittlerweile zu einer in weiten Teilen völkisch-rechtsextremistischen Partei entwickelt hat.

Diese Radikalisierung hat nicht nur die Sicherheitsbehörden auf den Plan gerufen, sondern ist ebenso Gegenstand einer kritischen öffentlichen wie auch wissenschaftlichen Debatte. Trotz dieser großen Aufmerksamkeit für diese Entwicklung ist auffällig, dass der Antisemitismus und sein Stellenwert innerhalb der Ideologie der AfD bisher wenig Beachtung fand. Einer der Gründe dafür liegt zweifellos darin, dass sich die Partei energisch als Freund der jüdischen Gemeinschaft und des Staates Israel inszeniert. Es bedarf indes keiner großen Mühe, um diese Positionierung als Lüge zu entlarven. Zum einen zeugen davon die auch in dieser Handreichung dokumentierten zahlreichen antisemitischen Aussagen von Mitgliedern und zum Teil hohen Funktionärinnen und Funktionären der Partei. Ebenso haben journalistische Recherchen in einer ganzen Reihe von Fällen belegt, dass einzelne Funktionärinnen und Funktionäre, die zum Teil der Führungsspitze der Partei angehörten bzw. bis heute angehören, vor ihrer Karriere in der Partei auf eine lange politische Biografie in rechtsextremistischen und neonazistischen Organisationen zurückblicken können oder sich zumindest in diesem Umfeld bewegt haben. Ferner spricht die Teilnahme von AfD-Politikerinnen und -Politikern an den sogenannten Querdenken-Demonstrationen, auf denen der Holocaust relativiert und antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet werden, eine deutlich andere Sprache.

Zum anderen ist die vorgebliche Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft und mit Israel rein taktischer Natur, fungiert der Anti-Antisemitismus, den die Partei für sich reklamiert, doch allein als Vehikel für ihre rassistische und migrationsfeindliche Propaganda. Antisemitismus wird in der AfD schließlich als rein muslimisches bzw. Problem des linken politischen Spektrums benannt.

Doch nicht nur mit Blick auf die Programmatik und die antisemitischen Aussagen von Funktionärinnen und Funktionären der Partei und ihrer Mitglieder wird rasch deutlich, wie wenig die oben genannte Positionierung mit der Realität zu tun hat. Und auch ein Blick auf die Wählerschaft entkräftet das in der Öffentlichkeit gezeichnete Selbstbild. Eine im November des Jahres 2021 veröffentlichte repräsentative Umfrage des Zentralrats der Juden in Deutschland ergab, dass Wählerinnen und Wähler der AfD überdurchschnittlich häufig antisemitischen Aussagen zustimmen.

So bejahten 59 % der befragten AfD-Wählerinnen und -Wähler gegenüber 30 % im Bevölkerungsdurchschnitt die Aussage, dass Jüdinnen und Juden „für sich einen Vorteil aus der deutschen Schuld am Holocaust zögen“. Ferner stimmten 50 % der befragten AfD-Wählerinnen und -Wähler der Aussage zu, dass Jüdinnen und Juden „einen starken Einfluss auf die Politik in Deutschland“ hätten. Dieser Aussage stimmen im Rest der Bevölkerung 24 % zu. Auch der Aussage, dass das, „was Juden heute mit Palästinensern machen“, im Prinzip „nichts anderes als das“ sei, „was die Nationalsozialisten mit Juden gemacht haben“, stimmten 31 % der AfD-Wählerinnen und -Wähler zu, während es im Bevölkerungsdurchschnitt 21 % waren.

Sind die Ergebnisse mit Blick auf die Gesamtbevölkerung schon alarmierend genug, so verdeutlichen sie aber vor allem, dass antisemitische Einstellungen unter der AfD-Wählerschaft erheblich stärker verbreitet sind als im Bevölkerungsdurchschnitt und dass eine breitere Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus der Partei und ihrer Wählerinnen und Wähler dringend geboten ist. Die vorliegende Handreichung soll dazu einen Beitrag leisten.

An dieser Stelle ist allerdings nicht nur die Öffentlichkeit und Wissenschaft gefordert, diesem Problem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die demokratischen Parteien müssen ihren Beitrag dazu leisten, diese Inszenierung der AfD zu entlarven. Konkret bedeutet dies, dass die anderen Parteien nicht zulassen dürfen, dass die AfD politische Themen für sich vereinnahmt. In diesem Sinne sollten die demokratischen Parteien sich beispielsweise dem Problem des islamistischen Antisemitismus endlich in der gebotenen Schärfe annehmen. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit dem legalistischen Islamismus, wo sie bis heute eine konsequente Linie vermissen lassen und zum Teil mit Organisationen und Verbänden kooperieren, die ihrerseits antisemitische Propaganda betreiben. Durch die Vermeidung der Auseinandersetzung mit diesem Problem wird der AfD ein politischer Raum gelassen, den sie geschickt für sich zu nutzen weiß. Wenn die demokratischen Parteien auch hier endlich eine Brandmauer einziehen würden, so wie sie es richtigerweise nach rechts getan haben, bliebe von der vorgeblichen Solidarität der AfD mit Israel und der jüdischen Gemeinschaft wenig übrig.

Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Prof. Dr. Lars Rensmann, der den vorliegenden Text für diese Publikation leicht aktualisiert und überarbeitet hat. Ebenso danke ich dem Psychosozialverlag für die freundliche und unkomplizierte Überlassung des Textes.

Dr. Remko Leemhuis, Direktor des AJC Berlin

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