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Im Jahr 2020 haben wir die Studie „Antisemitismus in Deutschland. Eine Repräsentativbefragung“ veröffentlicht. Ziel war es, aktuelle Daten zur Verbreitung antisemitischer Haltungen und Ressentiments in der deutschen Gesellschaft zu erlangen. Neben diesem grundsätzlichen Überblick haben wir dabei nicht nur untersuchen lassen, wie verbreitet antisemitische Einstellungen unter den Wählerinnen und Wählern der sechs im Bundestag vertretenen Parteien sind, sondern auch welche Rolle Antisemitismus in muslimischen Communities spielt. Da die Wissenschaft - zumindest hierzulande - diesem Problem bis zum damaligen Zeitpunkt weder quantitativ noch qualitativ genug Aufmerksamkeit geschenkt hat.
Diese wissenschaftliche Vernachlässigung steht in einem starken Kontrast zu unseren Ergebnissen. Denn unsere Umfrage hat ergeben, dass antisemitische Einstellungen in muslimischen Communities deutlich stärker ausgeprägt sind, als in der Mehrheitsgesellschaft. Freilich bedeutet das nicht, dass die Gefahr für Jüdinnen und Juden nur aus diesem Teil der Gesellschaft kommt. Denn die erhobenen Daten machen erneut auch sehr deutlich, dass Antisemitismus ein gesellschaftsschichten und politische Lager übergreifendes Problem darstellt. Dennoch muss der muslimische Antisemitismus deutlicher als bisher adressiert werden. Vor allem, weil die Studie einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Moscheebesuchen und etwa der Zustimmung zu tradierten antisemitischen Stereotypen sichtbar gemacht hat.
Die vorliegende Broschüre baut auf dieser Erkenntnis auf. Am Beispiel der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DİTİB) wird im Folgenden erörtert, welche Gründe dieser Zusammenhang hat.
Die DİTİB ist dabei nicht nur deshalb relevant, weil sie mit Abstand die meisten Moscheen betreibt, knapp 800, sondern auch, weil Musliminnen und Muslime mit Türkeibezug die größte Gruppe der muslimischen Community hierzulande darstellen. Das gibt dem Islamverband eine herausgehobene Position, wenn es etwa um Debatten wie Migration, Integration und Islam in Deutschland geht. Nur vertritt die DİTİB nicht in erster Linie die berechtigten Interessen von Musliminnen und Muslimen in Deutschland, sondern im Zweifelsfall die des AKP- Regimes in Ankara.
Denn die DİTİB steht unter der direkten Kontrolle des türkischen Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet). Sie ist damit nichts anderes als der verlängerte Arm des autoritären und islamistischen Regimes von Recep Tayyip Erdoğan. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird daran ersichtlich, dass DİTİB-Imame nicht bei den jeweiligen Moscheegemeinden angestellt sind, sondern direkt beim türkischen Staat. Diese Tatsache erklärt auch, warum einige DİTİB-Imame der Spionage im Auftrag des türkischen Regimes überführt worden sind. Ebenso wird diese problematische Bindung daran deutlich, dass die Freitagspredigten aus Ankara kommen und diese daher stets die Linie des türkischen Regimes wiedergeben.
Trotz dieser seit langer Zeit bekannten Probleme, wird die DİTİB bis heute als Repräsentantin „der Musliminnen und Muslime“ in Deutschland wahrgenommen und dementsprechend von der Bundes- bis zur Lokalpolitik als Partnerin in vielen Fragen konsultiert. Sogar wenn es um so sensible Themen wie die inhaltliche Gestaltung des Islamunterrichts an Schulen geht.
Die Zeiten des unkritischen Dialogs müssen - auch im Interesse der weit überwiegenden Mehrheit der Musliminnen und Muslime in Deutschland - ein Ende finden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Chef der Diyanet, Ali Erbas, vor dem Hintergrund des antisemitischen Massenmords der Hamas vom 7. Oktober 2023 sagte, Israel sei „ein rostiger Nagel, im Herzen der islamischen Geographie“. Ein Verband, der einen solchen Vorsitzenden hat, kann nicht länger ein Dialogpartner der deutschen Politik sein. Von der Bundes- über die Landes- bis hin zur Kommunalpolitik müssen auf all diese bekannte Aspekte endlich Konsequenzen folgen. Diese Publikation soll zu dieser notwendigen Auseinandersetzung mit Geschichte, Ideologie und Zielen der DİTİB beitragen.
Unser besonderer Dank gilt Prof. Dr. Kemal Bozay und Priv.- Doz. Mag. Dr. Hüseyin I. Çiçek, die die wissenschaftliche Ausarbeitung und inhaltliche Verantwortung dieser Publikation übernommen haben.
Dr. Remko Leemhuis, Direktor des AJC Berlin