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Der Beitrag erschien zuerst bei der WELT.
Qasem Soleimani war selbst gemessen an den Standards des Nahen Ostens, einer Region, die wahrlich keinen Mangel an Schlächtern und Kriegsverbrechern kennt, einer der gefürchtetsten Männer. Als Kommandant der Quds-Brigaden, eine Einheit der iranischen Revolutionsgarden mit dem Auftrag, die „Islamische Revolution“ in die Welt zu tragen, hat er eine Spur der Verwüstung durch den Nahen Osten gezogen und die Region nachhaltig destabilisiert. Unter seinem Kommando haben die Mitglieder der Quds-Brigaden sowie schiitische Milizen in den Bürgerkriegen im Irak, im Jemen und in Syrien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen.
Der Tod von unzähligen Menschen und die Vertreibung von Hunderttausenden, gerade im Zuge des syrischen Bürgerkrieges, lassen sich direkt mit seinem Agieren in Verbindung bringen. Zeit seines Lebens hat Soleimani ebenso an dem erklärten Ziel Teherans gearbeitet, Israel zu zerstören. So war er auch für die Unterstützung der Terrorgruppen „Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ)“ und „Hamas“ verantwortlich. Zu seinem bleibenden Vermächtnis zählen ebenso die 150.000 Raketen, welche die Hisbollah im Süden des Libanon in Stellung gebracht hat und die für den jüdischen Staat die strategisch größte konventionelle Bedrohung darstellen.
Der lange Arm seiner Quds-Brigaden reichte selbst bis nach Deutschland. So spähte in deren Auftrag ein hier lebender Pakistaner den ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Reinhold Robbe aus. Ziel dieser Aktivitäten war es, für den Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran Informationen über „weiche“ Ziele für Terroranschläge in Deutschland zu sammeln. In einem ähnlichen Fall hatten iranische Agenten mit dem gleichen Ziel jüdische Kindergärten und Schulen ausspioniert.
Diesem Mann, der sein Leben damit verbracht hat, die islamistische Staatsdoktrin Teherans mit Terror und Gewalt in die Welt zu tragen, wurde Anfang Januar 2020, nachdem er vom US-Militär in Bagdad getötet worden war, im Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) im Rahmen einer Trauerfeier als Märtyrer gehuldigt. Das ist nicht weiter verwunderlich, ist das IZH doch ein direkter Ableger des Mullah-Regimes und laut Sicherheitsbehörden die wichtigste Vertretung Teherans nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Diese zentrale Bedeutung wird dadurch unterstrichen, dass der Leiter des IZH direkt vom „Revolutionsführer“ ernannt wird, also dem politischen und religiösen Oberhaupt des Iran. Das IZH hat nicht nur den Auftrag, die antisemitische, antidemokratische, misogyne und homophobe Staatsideologie des Iran zu verbreiten, sondern fungiert ferner als Treffpunkt der Hamburger Hisbollah-Anhänger, die seit April 2020 in Deutschland verboten ist.
Darüber hinaus haben neueste Recherchen der WELT offengelegt, dass Mitglieder des Zentrums iranische Oppositionelle in Hamburg bedrohen. All dies sollte eigentlich reichen, um den Trägerverein des IZH und seine Aktivitäten zu verbieten. Die Stadtregierung der Hansestadt Hamburg geht entgegen dieser Erkenntnisse aber einen anderen Weg und kooperiert seit Jahren mit dem IZH.
Seit dem Jahr 2012 hat die Stadt Hamburg einen sogenannten Staatsvertrag mit islamischen Gemeinden und Vereinen geschlossen, die sich in der SCHURA Hamburg organisieren. Das Ziel des Staatsvertrages ist es „[…] die Beziehungen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und den islamischen Religionsgemeinschaften partnerschaftlich weiterzuentwickeln.”
Im Rahmen des Vertrages verpflichten sich die Vertragspartner, verschiedene Fragestellungen wie etwa die rechtliche Anerkennung von islamischen Feiertagen, die Ausbildung von islamischen Theologen an der Universität, die Betreuung von Muslimen in Justizvollzugsanstalten und die Teilhabe an der Entwicklung des islamischen Religionsunterrichts an den Schulen gemeinsam zu regeln.
Selbstverständlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Muslime ihre politischen und religiösen Belange vertreten und staatliche Institutionen für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe sorgen. Fragwürdig wird es nur dann, wenn Vertreter totalitärer Regime mit am Tisch sitzen, die über diesen Weg versuchen Einfluss auf hier lebende Muslime zu nehmen und demokratische Institutionen und Formate nutzen, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen durchzusetzen.
Wie glaubwürdig ist es denn, wenn die Statthalter Teherans sich etwa auch zu diesem Passus des Staatsvertrages mit ihrer Unterschrift bekennen: „Sie [die Vertragspartner] sind sich einig in der Ächtung von Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Glauben oder religiöser politischer Anschauungen und werden gemeinsam dagegen eintreten“?
Dass dies nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist, wird schon durch einen flüchtigen Blick auf die Menschenrechtssituation im Iran deutlich: So werden Homosexuelle an Baukränen aufgehängt, die religiöse Minderheit der Bahá’í seit der Islamischen Revolution brutal verfolgt und es verschwinden Menschenrechtler in den Kerkern des Regimes. Und erst um den Jahreswechsel 2019/2020 hat das Regime unzählige Menschen getötet und tausende in Gefängnisse eingesperrt, die gegen die katastrophale Wirtschaftslage und politische Unterdrückung auf die Straße gegangen sind.
Selbstredend teilt das IZH als direkter Ableger Teherans ebenso die antisemitische Agenda des Regimes. Neben der bereits erwähnten Glorifizierung des antisemitischen Terroristen Qasem Soleimani, nahmen bis vor ein paar Jahren offizielle Repräsentanten des IZH wiederholt an der jährlichen “Quds-Demonstration” in Berlin Teil. Diese Demonstration wurde von Ayatollah Khomeini ins Leben gerufen und seit 1979 gehen weltweit jährlich am letzten Freitag des Ramadan Anhänger des iranischen Regimes und andere Antisemiten für die Zerstörung Israels auf die Straße.
Auch wenn Funktionäre auf Druck der Hamburger Politik aus taktischen Gründen inzwischen nicht mehr an der Demonstration in Berlin teilnehmen, weisen die Sicherheitsbehörden darauf hin, dass sich nach wie vor Besucher des IZH unter den Teilnehmern des Marsches befanden.
Eine glaubhafte Distanzierung von der zentralen Forderung, Israel zu zerstören, gibt es bis heute nicht vom IZH und kann es natürlich auch von dieser Quasi-Botschaft des iranischen Regimes nicht geben. Angesichts all dieser Erkenntnisse ist es ein Skandal, dass die Hamburger Regierung nach wie vor an der Kooperation festhält und auch die anderen muslimischen Organisationen sich offenbar nicht an der Agenda des IZH stören.
Im Umgang mit dem IZH geht es auch um politische Glaubwürdigkeit. Niemand würde in Hamburg auf die Idee kommen mit Rechtsextremisten zu kooperieren. Warum beim IZH ein anderer Maßstab gilt, darauf bleiben die Verantwortlichen in Hamburg bisher eine Antwort schuldig. Wenn der Kampf gegen Antisemitismus auch in Hamburg erfolgreich sein soll, dann darf es keine Ausnahmen geben. Ein erster Schritt wäre die Kooperation mit dem IZH endlich einzustellen.
Remko Leemhuis, Direktor, American Jewish Committee, Berlin.